Komm wir finden einen Schatz!

Komm wir finden einen Schatz!

Komm wir finden einen Schatz!

# Predigt des Superintendenten

Komm wir finden einen Schatz!

„Komm, wir finden ein Schatz!“, sagt der kleine Tiger zum kleinen Bären im gleichnamigen Kinderbuch von Janosch. Es ist so ein Tag, an dem der kleine Bär keinen einzigen Fisch gefangen hat, also muss er mal wieder Blumenkohl mit Kartoffeln aus dem Garten kochen. „Weißt du, was das größte Glück der Erde wäre?“, fragt der kleine Tiger. „Reichtum, dann hättest du mir heute zwei Forellen kaufen können, Forellen sind nämlich meine Leib- und Königsspeise.“ „Au ja – Forellen“, ruft der kleine Bär, denn Forellen sind sein Anglertraum, aber er hat nie eine erwischt, Forellen sind nämlich schlau. 

Und die beiden malen sich aus, was sie sich noch so kaufen könnten, wenn sie reich wären: Bienenstich zum Nachtisch, ein Schlauchboot und eine Hollywoodschaukel, eine Rennfahrermütze mit Schnalle und raffinierte Sommeranzüge. „Komm, wir finden einen Schatz!“, sagt der kleine Tiger. 

Am nächsten Tag geht es los – mit Eimer, Seil, Schaufel und etwas Proviant, machen die zwei sich auf die Suche, graben diesseits und jenseits der Flusses – finden aber nichts, fragen Maulwurf, Löwe und Huhn, aber keiner weiß etwas von verborgenen Schätzen. „Das größte Glück der Erde liegt in der Ferne“, verrät ihnen der Reiseesel Mallorca und nimmt sie auf seinen Rücken, segelt mit ihnen sogar über das Meer. Und auf einer Südseeinsel gehen die zwei mit Taucheranzügen ins Wasser. Vielleicht liegt auf dem Meeresgrund ja eine kostbare Perle oder ein Seeräuberschatz?

Ein schlitzohriger Gelegenheitsjobber

Komm, wir finden einen Schatz! Im Predigttext für den heutigen Sonntag (Matthäus 13,44-46) sind nämlich auch zwei Schatzsucher unterwegs, denen wir über die Schulter blicken können:

Der erste ist ein Tagelöhner. Mit Gelegenheitsjobs kommt er mehr schlecht als recht über die Runden. Als er für einen Bauern dessen Acker umpflügt, stößt er auf etwas Hartes. Er gräbt und findet einen Schatz. Vielleicht eine Truhe mit Goldmünzen, Diamanten und kostbarem Geschmeide? Wir erfahren es nicht. Doch was wir erfahren: der Fund löst bei ihm große Freude aus, schnell wirft er Erde drüber, verbirgt den Schatz wieder im Acker. Und dann macht er alles zu Geld was er besitzt, um den Acker zu kaufen und das, was in ihm verborgen ist. 

Nicht ganz astrein dieses Vorgehen, ziemlich schlitzohrig sogar. Wenn der Bauer gewusst hätte, was für innere Werte sein Feld hat, er hätte es vermutlich einen anderen Preis dafür verlangt. Tja, hätte er mal selbst sein Feld umgegraben, so hat sich ein anderer die Hände für ihn schmutzig gemacht und den Fund seines Lebens gehoben. Dass der Tagelöhner hier nicht zum vorbildlichen Finder wird … 

Jesus tadelt das nicht, er gönnt ihm seine Freude und den cleveren Coup, wie es scheint. Doch was, wenn der Tagelöhner nicht richtig geguckt hat, bevor er seinen Fund schnell wieder in der Erde verborgen hat? Was, wenn in der Kiste nur ein paar alte Kupfermünzen liegen und wertloser Schrott? Alles hat er eingesetzt und hingegeben für diesen Fund – Knall auf Fall eine Entscheidung getroffen. Und wenn er sich nun verzockt hat?

Ein hingerissener Geschäftsmann

Komm, wir finden einen Schatz! Aber diesmal bitte ohne Risiko, sondern mit klugem Kalkül. Auftritt des Kaufmanns, er handelt mit seltenen Perlen, ein Experte auf dem Gebiet. Der weiß doch wohl, was zu tun ist, wägt gut ab, handelt nicht überstürzt. Doch dann hält er diese eine Perle in der Hand und ist nur noch hingerissen. Ganz rund ist sie, keine Unregelmäßigkeit in der Form und diese Farbe! So ein reines, glänzendes Weiß hat er nie zuvor gesehen. So verkauft auch er alles, was er hat, für diese einen Fund. Der Kaufmann handelt nicht kaufmännisch. Sein Investitionsberater, wenn er denn einen hätte, würde sich die Haare raufen. Man setzt nicht alles auf eine Karte! Ein gewisses Risiko kann man eingehen, aber einen Teil des Geldes sollte man in festverzinslichen Wertpapieren anlegen. Man muss doch auch an das Alter denken, die Ausbildung der Kinder und die Schwankungen auf dem Perlenmarkt!

Es sind Leichtsinn-Geschichten, die Jesus hier erzählt.

Das Himmelreich gleicht einem Schatz, verborgen im Acker, den ein Mensch fand und verbarg; und in seiner Freude geht er hin und verkauft alles, was er hat, und kauft den Acker.
Wiederum gleicht das Himmelreich einem Kaufmann, der gute Perlen suchte, und da er eine kostbare Perle fand, ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte sie.

Wer einmal von der Wirklichkeit Gottes ergriffen wird, so Jesus, für den wird sie das Kostbarste sein, das sich denken lässt. Der wird für diese einzigartige Gelegenheit alles stehen und liegen lassen und aufs Ganze gehen vor lauter Freude. Ohne Risiko ist diese himmlische Wirklichkeit offenbar nicht zu haben, man kann sie nicht taxieren und portionieren. Es braucht dieses schöne Hingerissen-sein, diesen herrlichen Leichtsinn. Wer auf das größte Glück der Erde stößt, der fackelt nicht lang, der will ihn heben diesen Lebensfund, sie mit den Händen umschließen diese Kostbarkeit.

Was ist dein Schatz?

Komm, wir finden einen Schatz! Dazu braucht es gar nicht immer Metalldetektor und Spaten. Was Schatz und schätzenswert ist, mag individuell sehr verschieden sein. Für den einen ist die wertvolle Erstausgabe von 1734 oder das handsignierte Beatles-Album ein Must-Have. Für den anderen ist es die Altbauwohnung im Lieblingsviertel oder ein Komplett-Satz von Sammelfiguren aus dem Überraschungsei. Aber ein Lebensfund kann auch ganz immateriell sein: Ein Auslandjahr, das bis heute prägt, die mutige Entscheidung für einen beruflichen Neustart oder das unverhoffte Geschenk der Geburt eines Kindes. Und manch einer von Ihnen hat vielleicht seinen Schatz neben sich sitzen – und nennt ihn sogar so: „Mein Schatz, oder Schätzchen“ und das schon seit vielen Jahren.

Komm wir finden einen Schatz! Denn es lohnt sich zu suchen nach dieser kostbaren anderen Wirklichkeit, die Gott heißt. Er will sich finden lassen von uns und in ihm sollen wir uns finden – ganz und gar. Das muss gar nicht immer glitzernd und spektakulär sein. Mag sein wir werden im täglichen Herumackern auf unserem Lebensfeld auf ihn stoßen. Gott verbirgt sich oft im Alltäglichen und Gewohnten, gar nicht so einfach ihn dort zu entdecken. Da braucht es schon ein wenig Schatzsucherinstinkt, die Sehnsucht, dass mein Leben mehr ist, als ich an der Oberfläche wahrnehmen kann, ein verborgener Glanz, der es geheimnisvoll erhellt. Der Glaube ist die Gewissheit: Es gibt etwas zu suchen, es gibt jemand zu suchen, der jeden Einsatz lohnt. 

Eine makellose Perle 

Komm wir finden einen Schatz! Kann es sein, dass Gott so redet? Mit sich selbst? Ein Dialog in der Dreifaltigkeit? Komm, wir finden einen Schatz! Und in den unermesslichen Weiten des Alls ist da diese Erde. Dieser kleine blaue Planet, durchzogen von so vielen Rissen, gezeichnet von Kriegen und Katastrophen. Doch Gott betrachtet die Erde, als sei es eine kostbare, makellose Perle. Für sie will er alles einsetzen, volles Risiko. So wird er Mensch und kommt uns Menschen nah, dir und mir mit unseren Geschichten, voll Glück und Trauer, Schönheit und Scham. Für uns gibt er alles, seine Liebe sein Leben. Und er sagt – zu dir und zu mir: Du bist mein Schatz, hab‘ ich dich gefunden!

Der Schatz ist futsch?!

Im Kinderbuch finden der kleine Tiger und der kleine Bär schließlich ihren Schatz. Aber nicht in der Südsee – auch der Tauchgang bringt keine Truhe mit Gold und Edelsteinen zu Tage. Und so weit weg von Zuhause vermissen die beiden plötzlich schmerzlich ihr kleines strohgedecktes Haus am See. Und wenn der Vogel Kranich sie nicht über das Meer getragen hätte, sie wären bestimmt vor Heimweh gestorben. 

Wieder auf dem Festland schlafen sie nachts unter einem Baum ein. Am Morgen stellen sie fest, dass dieser goldene Äpfel trägt. Sie pflücken sie. Doch goldene Äpfel sind ganz schön schwer. So bringen die zwei das Gold zur Bank und reisen mit sehr viel leichterem Papiergeld weiter. Bis ihnen ein Beamter des Königs die Hälfte als Steuern abknöpft. Dafür schütze der König sie aber auch vor dem Räuber Hablitzel. Als sie wieder nachts in einem Wald schlafen, kommt der Räuber Hablitzel und nimmt ihnen auch noch das restliche Geld weg. Und der König, der jeden beschützt, schlief weit weg in seinem Bett. Da ist der Schatz, ihr Lebensglück futsch. 

Müde und traurig machen sich die beiden auf den Nachhauseweg. Und weil ihre Beine so schwer sind, tragen sie sich abwechselnd ein Stück, mal nimmt der kleine Bär den Tiger auf seine Schulter und mal ist es umgekehrt.

Zuhause kocht der kleine Bär Blumenkohl mit Kartoffeln aus dem Garten, die Sonne scheint, die Bienen summen und sie hören den Zaunkönig singen. Da wird dem kleinen Bär und dem kleinen Tiger klar, dass sie nicht mit leeren Händen von ihrer Reise zurückgekehrt sind. Denn nun wissen sie; sie haben ja längt gefunden, wonach sie auf der Suche waren.

Florian Kunz, Superintendent

Predigttext Matthäus 13,44-46, Predigt gehalten am 28. Juli 2024 in St. Nikolai.

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