Grußworte zur Verlegung einer Stolperschwelle in Siemensstadt

Grußworte zur Verlegung einer Stolperschwelle in Siemensstadt

Grußworte zur Verlegung einer Stolperschwelle in Siemensstadt

# Predigt des Superintendenten

Grußworte zur Verlegung einer Stolperschwelle in Siemensstadt

Am vergangenen Samstag, 8. März 2025, hat der Künstler Gunter Demnig sie in das Pflaster eingelassen – die Stolperschwelle. Stolpersteine und Stolperschwellen gehören in Berlin, wie in den meisten deutschen und europäischen Städten, ja inzwischen zum Stadtbild, und bilden das größte dezentrale Mahnmal weltweit. 

„Stolpert man da wirklich drüber?“, wollte einst ein Schüler von Demnig wissen, doch der Künstler antwortete: „Nein, nein, man stolpert nicht und fällt hin, man stolpert mit dem Kopf und mit dem Herzen.“ 

Und wie das aussieht, ließ sich am Wochenende beobachten: Paare, die nach dem vertrauten Sonntagsspaziergang auf das Messing aufmerksam wurden, das in der Abendsonne glänzte, auch mancher Jogger stutzte in seinem Lauf und vorbeikommenden Kindern fiel sofort auf: „Oh! Das ist neu - das war neulich hier noch nicht!“ 

Kopf und Herz stolpern, weil der Blick gehalten wird von diesem goldglänzenden Etwas, man beugt sich hinunter, um die Inschrift zu lesen und verneigt sich so vor den Menschen, die den Nationalsozialisten zum Opfer fielen. Und einem wird bewusst: Sie lebten hier, mitten unter uns – 40 Zwangsarbeiterinnen, aus Belgien, den Niederlanden, Kroatien, Dänemark und der heutigen Ukraine. 

Stolpersteine und Stolperschwellen sollen Menschen ihre Namen wiedergeben. Das ist hier leider nicht möglich. Doch die 40 Frauen dem Vergessen entreißen, sie sichtbar machen – das schon. Wir können nur ahnen, was für Lebensschicksale sie hatten, welche Ängste und Hoffnungen sie bewegten, wie sie hier im Gemeindehaus lebten und litten. Doch – das sie hier waren, das ist jetzt ein unübersehbares Zeugnis an diesem Ort, für das ich von Herzen dankbar bin. Allen voran der AG Stolperschwelle - insbesondere Constanze Kraft und Christine Pohl - haben unermüdlich auf die Verlegung und diesen Tag hingearbeitet und der Gemeindekirchenrat hat dieses Vorhaben unterstützt. Danke, dass Sie die Erinnerung wachhalten. 

Ich bin auch dankbar, dass Sie heute hier gesprochen haben, Herr Dr. Kiuntke – ein starkes Zeichen, dass die Siemens AG und die Kirchengemeinde gemeinsam Verantwortung übernehmen und sich den Wunden und der Schande unserer Geschichte stellen. So wichtig ist das – gerade in Zeiten wie dieser, wo kürzlich eine Partei des Hasses und der Geschichtsvergessenheit zweitstärkste politische Kraft im Deutschen Bundestag geworden ist, wo der Antisemitismus in unserem Land immer weiter erstarkt und totalitäre Machthaber weltweit die Würde der Schwächsten verachten. 

„Das Geheimnis der Erlösung heißt Erinnerung“ – Worte von Baal Shem Tov, sie stehen auf der Gedenktafel für die Zwangsarbeiter im Verwaltungsgebäude der Siemens AG am Rohrdamm. Die Stolperschwelle an diesem Ort, die 40 Frauen, die hier fünf Jahre lebten, mahnen uns: Vergesst es nicht – nie wieder ist jetzt!

Ich danke Ihnen.

Florian Kunz

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